Einleitung
Mit der Aufstellung des Leitfadens für die Zulassung von Photovoltaik-Freiflächenanlagen will die Gemeinde Mindelstetten einen wertvollen Beitrag zur Energiewende und zum Klimaschutz leisten, gleichzeitig aber auch eine transparente Entscheidungsgrundlage für die Öffentlichkeit, Grundstückseigentümer, sonstige eingebundene Akteure sowie die Antragsteller bzw. Betreiber von Photovoltaik-Freiflächenanlagen schaffen.
Durch die Anwendung einfacher und nachvollziehbarer Kriterien kann städtebaulicher Fehlentwicklung vorgebeugt und Wildwuchs in Form zufallsgesteuerter Flächennutzung verhindert werden. Darauf basierend kann kartografisch dargestellt werden, welche Flächen im Gemeindegebiet für die Installation von Photovoltaik-Freiflächenanlagen in Frage kommen. Des Weiteren sollen – unter dem Aspekt der Nachhaltigkeit – die Belange der sauberen Energieerzeugung und des Klimaschutzes nachvollziehbar mit den Belangen der Nahrungsmittelerzeugung, des Landschaftsbildes und des Naturschutzes zusammengeführt werden.
Begründung für den Richtlinien-Vorschlag
Photovoltaik-Freiflächenanlagen, die planungsrechtlich ein „Sondergebiet Solarenergie“ erfordern, sind von ihrer Eigenart und ihren Auswirkungen her keine Gewerbe- oder Siedlungsflächen, sondern eine besondere Form der Landnutzung. Daher sollte die Bewertung, Abwägung und Entscheidung alle positiven und negativen Auswirkungen in ökologischer, wirtschaftlicher und sozialer Hinsicht berücksichtigen, um die Nachhaltigkeit der Projekte sicherzustellen und dem Grundsatz der Förderung erneuerbarer Energien gerecht zu werden. Die hier genannten Richtlinien sollten vor Aufstellung eines Bebauungsplanes durch den Antragsteller abgearbeitet werden.
1. Zulässige Gesamtfläche der Anlagen mit Einzäunung im Gemeindegebiet
Die Gemeinde hat auf die Festlegung einer max. Anzahl von Anlagen im Gemeindegebiet bzw. in den einzelnen Gemarkungen verzichtet.
Stattdessen wird die maximal zulässige Gesamtfläche im Gemeindegebiet auf 2 % der Gemeindefläche begrenzt (bezogen auf den Geltungsbereich).
Dies entspricht einer Fläche von 45 ha.
2. Nicht geeignete Standorte
– Potenzielle Erweiterungsflächen für Wohnbebauung, Gewerbe oder sonstige Flächen
– Flächen, die am Ortsrand gelegen sind und den Ortscharakter / das Ortsbild beeinträchtigen können (siehe auch Punkt 5 – Mindestabstand zur Wohnbebauung)
– Naturdenkmäler
– natürliche und künstliche Gewässer inkl. 5 m Gewässerrandstreifen beidseits
– Biotope der Flachlandbiotopkartierung
– Flächen aus dem Ökoflächenkataster
– Vorranggebiete für Bodenschätze gem. Regionalplan Region 10
– Flächen aufgrund ihrer tatsächlichen Nutzung (Waldflächen, Wohnflächen, bestehende PV-Freiflächenanlagen etc. inkl. Dauerkulturen = Hopfenflächen)
3. Kriterium Boden und 50 % Regelung
Durch den Ausschluss von für die Landwirtschaft hochwertigen Ertragsstandorten werden agrarstrukturelle Belange berücksichtigt.
Es werden grundsätzliche Flächen mit herausragender Ertragsfähigkeit des Bodens ausgeschlossen.
Dies betrifft nach Entscheidung der Gemeinde die 70 % der ertragsreichsten landwirtschaftlichen Flächen. Bei Ausschluss der 70 % ertragsreichsten Böden werden Flächen mit einer Ackerzahl größer / gleich 56 oder einer Grünlandzahl größer / gleich 54 ausgeschlossen.
Das bedeutet im Umkehrschluss, dass nur die 30 % ertragsärmsten Böden mit einer Ackerzahl kleiner / gleich 55 oder einer Grünlandzahl kleiner / gleich 53 als Standort für PV-Freiflächenanlagen zugelassen werden.
Bei Geltungsbereichen mit unterschiedlicher Kriterienerfüllung gilt die „50 %-Regelung (Boden)“:
Mindestens 50 % der (Teil-)Fläche des Geltungsbereiches eines Bebauungsplans müssen als geeignete Potentialfläche eingestuft sein und somit das Kriterium der 30 % ertragsärmsten Böden einhalten (= Ackerzahl kleiner / gleich 55 oder Grünlandzahl kleiner / gleich 53), damit die gesamte (Teil-)Fläche des Geltungsbereiches eines Bebauungsplanes als zukünftige PV-Freiflächenanlage ausgewiesen wird.
4. Besonders geeignete Standorte – Vorbelastete Standorte
Freiflächen-Photovoltaikanlagen sollten bevorzugt auf vorbelasteten Gebieten errichtet werden. Als vorbelastete Flächen werden folgende Flächen eingestuft:
• Flächen im 200 m-Korridor entlang der Bundesstraße B299
• Flächen im Umfeld von bestehenden oder sich in Aufstellung befindlichen Freiflächenphotovoltaikanlagen
• Flächen im größeren Zusammenhang von Gewerbegebieten im Außenbereich
Ansonsten darf auf die Bayerische Verordnung über Gebote für Freiflächenanlagen (benachteiligte Gebiete) verwiesen werden.
Eine Beurteilung des Standorts in vorbelasteten Gebieten bleibt dem Gemeinderat über eine Einzelfallentscheidung vorbehalten.
5. Mindestabstand zur Wohnbebauung
Der geringste Abstand zwischen Wohnbebauung und Einzäunung von Photovoltaikanlagen sollte mindestens 200 m betragen.
Im Einzelfall ist auch ein geringerer Abstand möglich, wenn nachweislich keine Beeinträchtigung des Ortsbildes vorliegt.
Eine Beurteilung des Standorts im Umfeld von Wohnbebauung bleibt dem Gemeinderat über eine Einzelfallentscheidung vorbehalten.
6. Finanzieller Ausgleich aufgrund der Beeinträchtigung von Jagdrevieren
Für die Beeinträchtigung der Jagdreviere, die im Zusammenhang mit den Photovoltaikanlagen entsteht, hat der Investor an die Jagdgenossenschaft einen finanziellen Ausgleich zu leisten. Der erforderliche Ausgleich ist von der Jagdgenossenschaft zu beziffern. Eine zwischen dem Investor und der Jagdgenossenschaft geschlossene Vereinbarung über den finanziellen Ausgleich ist vor dem Abschluss des Durchführungsvertrages vorzulegen.
7. Mindestanforderungen bezüglich der Gestaltung
– Die maximal zulässige Höhe der Anlage beträgt 3,5 m ab Oberkante des natürlichen Geländes.
– Eine Eingrünung ist an den Seiten erforderlich, die nicht durch bestehende Gehölze / Wälder abgeschirmt sind und die von Straßen, Wohnbebauung oder größeren zusammenhängenden freien Bereichen in der Landschaft aus einsehbar sind.
– Eine erforderliche Eingrünung durch Pflanzung hat mittels standortgerechten, heimischen und gebietseigenen Laubgehölzen des Vorkommensgebiets 5.2 Schwäbische und Fränkische Alb zu erfolgen. Nadelgehölze sind unzulässig. Die Pflanzung muss als mind. 2-reihige Hecke mit einer Mindestbreite von 2 m und Mindestreihenabstand 1 m ausgeführt werden.
– Die Abstände der Pflanzungen zu angrenzenden landwirtschaftlich genutzten Flächen müssen auf der West-, Nord- und Ostseite jeweils mind. 4 m, auf der Südseite mind. 2 m betragen und sind als Saumflächen anzulegen und zu pflegen. Bei angrenzenden Wegen beträgt der Mindestabstand der Pflanzungen 2 m zur Wegekante.
– Pflanzflächen müssen sich außerhalb des Zauns befinden und über die freie Landschaft zugänglich sein.
– Bei unbepflanzten Rändern muss der Abstand zwischen Zaun und angrenzenden landwirtschaftlich genutzten Flächen mind. 1 m betragen, die Flächen sind als Saumflächen auszubilden und zu pflegen. Entlang von bestehenden Feldwegen ist für die Errichtung des Zauns ein Abstand von mind. 1 m zur äußersten Wegekante einzuhalten.
Bei angrenzenden Waldflächen sowie für andere Abstandsflächen und Grenzabstände gelten die Regelungen der BayBO und des Gesetzes zur Ausführung des Bürgerlichen Gesetzbuchs (AGBGB)
– Ein Abstand von mindestens 0,15 m zur Geländeoberkante ist einzuhalten, um für kleinere Wildtierarten (z.B. Hase, Fuchs, etc.) durchlässig zu sein.
Weitere Gestaltungsauflagen bzw. Ausnahmen bleiben dem Bebauungsplanverfahren vorbehalten.
8. Natur- und Artenschutz-Verträglichkeit
– Der Investor muss im Vorfeld eines Bauleitplanverfahrens nachweisen, wie die Fläche nach Inbetriebnahme gepflegt wird, einschließlich des Abflusses von Regenwasser, falls notwendig. Dies muss möglichst so erfolgen, dass die Artenvielfalt auf den Flächen gefördert wird.
– Orientierung bietet dabei das gemeinsame Papier der bayerischen Umweltverbände. Es empfiehlt eine extensive Pflege der Flächen, z.B. mit Schafbeweidung oder Mahd. Ackerflächen können mit Heudrusch nah gelegener, artenreicher Wiesen oder Wildpflanzen-Saatgut aus regionaler Produktion eingesät werden.
– Bis zum 15. Juni eines Kalenderjahres soll keine Mahd erfolgen.
– Der Investor muss durch eine fachgerechte Pflege der Anlagenfläche sicherstellen, dass die Bewirtschaftung benachbarter, landwirtschaftlich genutzter Flächen nicht beeinträchtigt wird.
– Die Ausgleichsflächen, die der Investor vorweisen muss, müssen sich fach- und sachgerecht in das lokale Ökosystem einfügen. Die Ausgleichsflächen sollen nach Möglichkeit direkt auf der Fläche der Photovoltaik-Freiflächenanlage angeordnet werden.
9. Beweissicherung und Bürgschaften für die Herstellung der Erschließung und für die Rückbauverpflichtung
Vor Beginn der Bauarbeiten hat eine Beweissicherung der vorhandenen und für das Vorhaben zu benützenden Straßen- und Wegeflächen der Gemeinde zu erfolgen. Der Unterhalt des Wegebaus während der Bauphase ist durch eine Bürgschaft sicherzustellen. Kosten für die erstmalige Herstellung der Erschließung (Straßen, Wege, Leitungen, Kabelverlegungen, usw.) hat der Investor zu tragen und sind ebenfalls durch eine Bankbürgschaft zu sichern. Die Rückbauverpflichtung nach Beendigung der Laufzeit ist ebenfalls vom Investor durch Bankbürgschaften zu gewährleisten.
10. Erfordernis eines städtebaulichen Vertrages hinsichtlich der Übernahme von Kosten
Vor Beginn der Bauleitplanung ist in einem städtebaulichen Vertrag festzulegen, dass der Investor der Anlage alle Kosten für die fachliche Stellungnahme, die Planungsleistungen und die Genehmigungen zu tragen hat. Die Planungshoheit bleibt jedoch auch in diesem Fall uneingeschränkt und ausschließlich bei der Gemeinde.
11. Erfordernis eines Gutachtens
Im Verfahren eventuell erforderliche Gutachten bzw. von den Fachstellen geforderte Gutachten sind vom Investor zu beauftragen und der Gemeinde vorzulegen (siehe Punkt 10 – Erfordernis eines städtebaulichen Vertrages hinsichtlich der Übernahme von Kosten).
12. Inhalt Durchführungsvertrag
– Seitens der Gemeinde wäre es wünschenswert, dass von Photovoltaik-Projekten nicht nur Einzelne einen finanziellen Nutzen haben, sondern dass allen Bürgern zu einem gewissen Ausmaß eine Beteiligung an den Anlagen ermöglicht wird.
– Die Wahrung kommunaler Interessen regelt ein städtebaulicher Vertrag in Verbindung mit einem Durchführungsvertrag (diese umfassen u.a. die Verpflichtung des Projektentwicklers zum Rückbau nach Ablauf der Betriebslaufzeit, die verbindlichen Formulierungen von Aspekten der Projektausgestaltung sowie Sanktionsmöglichkeiten bei Nichteinhaltung von Vertragsgegenständen sowie die vollumfängliche Kostenübernahme des gesamten Bauleitplanverfahrens).
13. Öffentlichkeitsbeteiligung
Die Investoren müssen die Anwohner der am nächsten an der Anlage liegenden Ortsteile im Rahmen einer öffentlichen Veranstaltung über das Vorhaben informieren. Hier müssen sämtliche bauliche und planerische Aspekte transparent dargelegt werden.
14. Netzanbindung und Speicherung
Es ist eine schriftliche Einspeisezusage des Netzbetreibers vorzulegen. Die Anbindung der Photovoltaik-Freiflächenanlage an die Trafostation bzw. das Umspannwerk muss – soweit anschlusstechnisch möglich – per Erdverkabelung erfolgen. Es sollte auf kurze Anschlusswege und wenig Inanspruchnahme von städtischen Wegen geachtet werden. Für die Inanspruchnahme der Wege bzw. die Einräumung eines dinglichen Rechtes im Grundbuch ist die Gemeinde Mindelstetten zu entschädigen. Solche Anlagen, die kürzere Anschlusswege haben und/ oder gemeindeeigene Wege nur wenig in Anspruch nehmen, werden bevorzugt. Um eine Nachteinspeisung sicherzustellen, ist eine Speichermöglichkeit nach technischen Möglichkeiten auf dem Gelände empfehlenswert.
15. Direktvermarktungsvertrag und Nutzungsdauer
Der Abschluss eines Direktvermarkungsvertrags zwischen Investor und Stadtwerken oder einer im Gemeindegebiet Mindelstetten ansässigen Firma wäre wünschenswert. Die Nutzungsdauer für „Sondergebiete Solarenergie“ werden auf 30 Jahre befristet.
16. Instandhaltung
Es muss eine regelmäßige visuelle Prüfung der Material-/ Metallauswaschung von intakten und/ oder beschädigten Modulen durchgeführt werden.
17. Projektgesellschaft
Für das Vorhaben ist eine separate Projektgesellschaft zu gründen.
18. Möglichkeit für weitere ggf. erforderliche Kriterien
Die vorgenannten Kriterien sind nicht abschließend und können je nach Projekt variieren.